Mit den anstehenden Kommunal- und Europawahlen am 26. Mai diesen Jahres und den darauf folgenden Landtagswahlen am 1. September in Brandenburg ist ein weiterer parlamentarischer Rechtsruck im Land zu erwarten.1 Bereits bei der vergangenen Kommunalwahl 2014 erhielt die AfD 39 Mandate in den vierzehn Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen der kreisfreien Städte Potsdam, Brandenburg, Cottbus und Frankfurt (Oder).2
Für die AfD ist die Aufstellung der Kandidat*innen ein Kraftakt, sind doch circa die Hälfte der Mitglieder neu auf dem politischen Parkett.3 So hieß es, dass die AfD Crashkurse für Kandidat*innen anbiete, um diese auf die gewonnenen Sitze in den Kommunalparlamenten, im Europarlament und auch im Landtag vorzubereiten.4
Für die Brandenburger AfD ist der Umstand, dass sich so viele parlamentarische Neulinge um die Mandate bewerben, Fluch und Segen zugleich: Einerseits können sie ihren parlamentarischen Einfluss enorm verstärken, andererseits zeigt sich hier erneut, dass die AfD nicht in der Lage ist, Sachpolitik abseits einfacher populistischer Antworten abzuliefern.5
Die Parteiprogramme auf Kommunal- und Europaebene haben lange auf sich warten lassen, das Programm für die Landtagswahlen ist zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung noch nicht erschienen.
Andreas Kalbitz, Vorsitzender der AfD Brandenburg, rühmt die rechtspopulistische Partei in einem „Bürgerdialog“ in Forst am 17. April für die Aufstellung von 700 Kandidat*innen6, die es ermöglichen sollen, Sachpolitik fernab von Ideologie zu betreiben.7 Die Zahl ist angesichts einer Gesamtmitgliederzahl der Partei in Brandenburg von 1.560 bemerkenswert.8 Kalbitz und andere AfD-Politiker*innen wiederholen dabei immer wieder die vielfältigen sozialen und beruflichen Hintergründe ihrer Kandidat*innen. So scheut sich die AfD Brandenburg auch nicht, in populistischer Manier zu behaupten, dass nur die Menschen gerechte Politik machen könnten, die selbst gearbeitet hätten.9
Kalbitz stellt die Koalitionswilligkeit auf Kommunalebene in den Vordergrund seiner Programmatik, denn dort könne man „praktisch zusammenarbeiten“.10 Das Ziel ist dabei klar: Die AfD will in Regierungsverantwortung. Waren die Stimmen vor fünf Jahren noch klar für die Opposition, strebt die AfD neben Sachsen auch in Brandenburg nach Macht und Stärke in den Kommunalparlamenten.
Die Töne sind zum Teil weniger skandalträchtig, will die AfD doch ihren europäischen Vorbildern nacheifern und ihrem „Schmuddel-Image“ entkommen.11 So berichtet Kalbitz von irritieren Journalist*innen, die nach seiner Aussage nach Skandalen im vorab für die Presse vorgestellten Landtagswahlprogramm suchten und nicht fündig wurden.12
Nicht jede_r darf mitbestimmen. Ohne Arbeit ist man im Deutschland der AfD nicht vollwertig
Die Kommunalwahl im Mai soll laut Andreas Kalbitz eine konservative Graswurzelrevolution sein, die die Basis für Regierungsverantwortung auf Landesebene bilden soll.13 Dafür unterstützt die Landes-AfD auf kommunaler Ebene beim Wahlkampf, bei den sogenannten Bürgerdialogen treten im April fünfmal insbesondere die Spitzenkandidaten der Landesliste, Andreas Kalbitz, Birgit Bessin oder auch Thomas Jung, auf. Letzterer zeichnet sich auch verantwortlich für den Wahlkreis Frankfurt (Oder). Dennoch findet in Ostbrandenburg und dem angrenzenden Landkreis Oder-Spree keiner der Bürgerdialoge statt.
Berührungsängste zu weiter rechts stehenden außerparlamentarischen Kräften scheut die Parteiführung trotz ihres weniger skandalträchtigen Auftretens keineswegs. Andreas Kalbitz und andere führende AfD-Politiker*innen – aus Frankfurt (Oder) beispielsweise Wilko Möller14 – beteiligen sich regelmäßig an den Aufmärschen des extrem rechten Vereins „Zukunft Heimat e. V.“. Wie wichtig die Nähe zu diesem ist, zeigt die Rolle des Vereins-Vorsitzenden Christoph Bernd. Er tritt auf Listenplatz 2 der AfD bei der Landtagswahl an, ohne selbst Mitglied der Partei zu sein.
Kalbitz betont welch wichtige Rolle „Zukunft Heimat“ auf dem Weg zu einer Gesellschaft, die ihrer gemeinsamen politischen Vision entspricht, einnimmt. Er wird nicht müde, ihren zentralen Aufmarschort Cottbus zum Symbol der Heldenstadt zu stilisieren und vergleicht diese mit Leipzig im Wendejahr 1989.15 Bei seinen Kamarad*innen aus der extrem Rechten schlägt er radikalere Töne als bei den Bürgerdialogen an und verweist auf die Zusammenarbeit mit dem „Zukunft Heimat e.V.“ und „Pegida Dresden“ als Partner. Man lasse sich nicht auseinanderdividieren, so Kalbitz.16
Die AfD schafft es, zweigleisig zu fahren und einerseits die Verbindung mit extrem rechten Strukturen aufrechtzuerhalten, andererseits im bürgerlichen Gewand den Versuch zu unternehmen, parlamentarische Macht zu gewinnen. Die Botschaft aber ist klar: „Wir werden die Wende vollenden“17. Gemeint ist damit ein Wandel, der auf Ausgrenzung, Ausbeutung und sozialer Kälte fußt.
AfD-Wahlkampf auf kommunaler Ebene
Die AfD wirbt neben dem klassischen Wahlkampf auch mit dem Mittel von Social-Media-Formaten, insbesondere auf Facebook und Twitter. Auffällig ist nach wie vor, dass vielfach keine eigenen Inhalte geschaffen werden, sondern immer wieder auf Beiträge anderer Benutzer*innen zurückgegriffen wird, die geteilt werden. Wilko Möller nutzt die Seiten insbesondere auch mit seinem Privataccount, um beispielsweise zu ehrenamtlichen Engagement aufzurufen, das er neu für sich entdeckt hat.18
10 von 14 Kandidat_innen für die Kommunalwahl. Die AfD in Frankfurt (Oder) ist männlich, weiß und in ihren besten Jahren“
Daniel Hoffmann: Rassist mit Schlips und Kragen
Die AfD Frankfurt (Oder) geht mit insgesamt 16 Kandidat*innen in den Wahlkampf:
Wilko Möller (geb. 1966, Bundespolizist) ist das Gesicht der Frankfurter AfD und saß schon in der letzten Stadtverordnetenversammlung für die AfD. Von der nach den Kommunalwahlen 2014 ursprünglich fünf Abgeordnete umfassenden Fraktion blieb zum Schluss außer Möller nur Ute Spallek, sodass die AfD ihren Fraktionsstatus verlor. Der Rest verließ nach diversen Kontroversen die Fraktion.19 Mit Ute Spalleck hatte sich Möller nach einem Streit zwar wieder vertragen, für die Kommunalwahl 2019 tritt sie aber nicht mehr an.20
Der Fahrlehrer Meinhard Gutowski (geb. 1955) stand in der Vergangenheit den rechten Splitterparteien „Pro Deutschland“ und der „Schill-Partei“ nahe, von 2010 bis 2014 war er Abgeordneter und Mitglied der CDU-Fraktion in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Hans-Peter Hartmann (Rentner, geb. 1943) war von 1995 bis 1998 Mitglied der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag.
Daniel Hofmann (geb. 1974, Geschäftsführer Oderlandwerbung, zeitweilig sachkundiger Einwohner im Kulturausschuss), Marcus Mittelstädt (geb. 1981, Polizeivollzugsangestellter bei der Berliner Polizei) und Michael Laurisch (geb. 1963, Zollbeamter, beide sachkundige Einwohner im Ausschuss für Bildung, Sport, Gleichstellung, Gesundheit und Soziales) sowie Ingolf Schneider (geb. 1970, Instandhaltungsmechaniker), und Meinhard Gutowski (beide sachkundige Einwohner im Ausschuss für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Umwelt) haben als sachkundige Einwohner in diversen Ausschüssen Erfahrungen gesammelt.
Roland Warstat-Lehmann (geb. 1962, KFZ-Ersatzteilhändler), Jürgen Fritsch (geb. 1957, Buchdrucker), Hendrik Gunkel (geb. 1969, Geschäftsführer Autohaus & Werkstatt Service Center Daske sowie Prokurist bei „Daske Bau e.K.“), Andreas Suchanow (geb. 1971, Polizeibeamter bei der Bundespolizei, 1. stellvertretender Vorsitzender des Stadtverbands), Bernd Saleschke (geb. 1951, Rentner), Uwe Roßmann (geb. 1951, Rentner), Denny Lehmann ( geb. 1982, Vertriebsmitarbeiter), Elke Hofmann (geb. 1955, Handelsvertreterin) und Hans Peter Sax (geb. 1941, Rentner) können auf keine parlamentarische Vergangenheit zurückblicken.
1Die AfD ist laut Infratest dimap drittstärkste Partei knapp hinter CDU und SPD, vgl.: https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/brandenburg.htm
2Vgl. https://www.tagesspiegel.de/politik/afd-in-brandenburg-ziemlich-normale-leute-und-zwei-scharfmacher/23852372.html (zuletzt eingesehen am 19.04.2019)
3Vgl. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/studie-viele-afd-fraktionen-scheuen-sacharbeit-15057846.html
4Vgl. http://www.maz-online.de/Brandenburg/Warum-die-AfD-zur-Kommunalwahl-ein-Personalproblem-bekommen-koennte (zuletzt eingesehen am 19.04.2019)
5Vgl. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/studie-viele-afd-fraktionen-scheuen-sacharbeit-15057846.html
6Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=FmQ-Dl8AgFA&feature=youtu.be (ab Minute 2:10) (zuletzt eingesehen am 19.04.2019)
7Ebd.
8Vgl. https://www.tagesspiegel.de/politik/afd-in-brandenburg-ziemlich-normale-leute-und-zwei-scharfmacher/23852372.html (zuletzt eingesehen am 19.04.2019)
9Vgl. www.afd-fraktion-brandenburg.de
10Vgl. hierzu Fußnote 4
11Vgl. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/wie-afd-beobachtung-durch-verfassungsschutz-entgehen-will-15921315-p2.html (zuletzt 19.04.2019)
12Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=FmQ-Dl8AgFA&feature=youtu.be (ab Minute 9:00) (zuletzt eingesehen am 19.04.2019)
13Rede von Andreas Kalbitz auf der Zukunft Heimat Demontration in Cottbus: https://www.youtube.com/watch?v=y14WtyuCsZM (ab Minute 18:00) (zuletzt eingesehen am 19.04.2019)
14Vgl. https://twitter.com/OfficeRolando/status/1107003030115889156
15Rede von Andreas Kalbitz auf der Zukunft Heimat Demontration in Cottbus: https://www.youtube.com/watch?v=y14WtyuCsZM (ab Minute 18:00) (zuletzt eingesehen am 19.04.2019)
16Ebd.
17Ebd.
18Retweet vom 03.04.2019: https://twitter.com/afd_ffo
19Vgl. https://www.moz.de/landkreise/oder-spree/frankfurt-oder/artikel9/dg/0/1/1559857/
20Vgl. https://www.moz.de/landkreise/oder-spree/frankfurt-oder/artikel9/dg/0/1/1569926/