Wenig Geist und freier Eintritt für die extreme Rechte. Die Entwicklung der Frankfurter „Freigeister“ seit Februar 2023

Nazis im Anmarsch. Demonstrant*innen gegen die „Freigeister“ werden von der Straße geprügelt

Das Problem der „Freigeister“ und ihrer Montagsspaziergänge ist bekannt: Sie spielen ihre Nähe zur (extremen) Rechte herunter. Ihr politischer Kompass ist kaputt, sie wollen das Links-Rechts-Schema überwinden. Das kennen die Deutschen bereits aus der Zeit der Weltkriege: Immer dann, wenn alle zusammenstehen – oder wie bei den „Freigeistern“, zusammen-gehen sollen, heißt das im Klartext: Nazis welcome!

Viele „Freigeister“ filmen sich und ihre Spaziergänge gerne selbst. Seit den Corona-Protesten gehören die endlosen Livestreams von Spaziergängen im Schneckentempo dazu, Rechte und extreme Rechte haben damit auch meist kein Problem. Ihr Motto: Je langweiliger die Aufnahme, desto harmloser kommen die Freigeister rüber. Nur dumm, dass mit dem Mitschnitten auch die Verquickung der Frankfurter AfD, der Freigeister und der Neonaziszene dokumentiert wird.

Kurzer Rückblick: Die Geschehnisse am 25.2.2023

Der Aufmarsch der Frankfurter „Freigeister“ am 25. Februar 2023 mit ca. 1.300 Teilnehmenden wurde in vielen Medien aufgegriffen. Worüber MOZ und Co. nicht oder nur am Rand berichten: die rege Teilnahme von Neonazis und anderen extremen Rechten. [1]

„Special Guest“ der Demonstrantion im Februar 2023 war der ausgeschlossene Brandenburger Ex-AfD-Vorsitzende Andreas Kalbitz. Kalbitz ist bekanntermaßen selbst für die AfD zu rechtsextrem. Nachdem er nicht mehr zu halten war, beschloss der Bundesvorstand der ebenfalls extrem rechten AfD seinen Ausschluss. Der Frankfurter AfD-Führer Wilko Möller hat zwar nie einen Hehl aus seiner Ergebenheit gegenüber Kalbitz gemacht, aber ihn auch nicht weiter verteidigt, als dieser den Machtkampf verloren hatte. Auf einer Videoaufnahme vom 25. Februar wird dies unfreiwillig deutlich. Möller steht auf der Bühne und wartet auf den Beginn seiner Rede. Ein Lakai von Kalbitz kommt zu Möller und sagt: „Du sollst Andreas begrüßen“. Möller schaut etwas gequält, steigt aber sofort von der Bühne und eilt dem nur wenige Meter entfernten Kalbitz entgegen. Die Begrüßung der einstigen Kameraden selbst ist nicht zu sehen, dürfte an Verlogenheit jedoch schwer zu überbieten gewesen sein. Nicht zuletzt wird hier ungewollt deutlich, dass Möller nach wie vor ideologisch kein Problem mit dem Neonazi Kalbitz hat, und darüber hinaus auch nicht die politische Souveränität besitzt, sich von Kalbitz fernhalten zu können.

Nicht allen Neonazis gefällt das Filmen der eigenen Demonstrationen. Vor den Livestreams versuchte sich zum Beispiel Paul Könnecke zu verstecken, der unter anderem schon 2016 bei den asylfeindlichen „Frankfurt (Oder) wehrt sich“-Aufmärschen und am Neonazi-Aufmarsch der Bruderschaft Wolfsschar 2021 dabei war. Auf den Aufnahmen von der Demo am 25. Februar ist zu sehen, wie er vor dem Oderturm eine Gegendemonstrantin bepöbelt.

Matthäus Westfal, der sich selbst „AktivistMann“ nennt und sich als unabhängiger Journalist ausgibt, ist seit den sogenannten Corona-Protesten regelmäßiger Gast auf extrem rechten Versammlungen.  So war er u.a. am „Reichstagssturm“ zusammen mit dem Neonazi Nikolai Nerling beteiligt und hat die bekannten Videoaufnahmen dort angefertigt. Beide sind freundschaftlich verbunden. Westfal ist zudem mehrfach vorbestraft und musste sich zuletzt wegen einer transfeindliche Beleidigung vor dem Amtsgericht Berlin Tiergarten verantworten.

Eine weitere Aktivistin aus dem verschwörungsideologischen Spektrum ist Sabrina Kollmorgen. Sie war ebenfalls am 25. Februar in Frankfurt und hielt am Ende der Demo eine Rede. Sie war Kandidatin für die Partei „Die Basis“ in Berlin, ist bekannt als „coronakritische Ex-Krankenschwester“ und wird von vom extrem rechten Medium „CompactTV“ hofiert.
Weitere Teilnehmer waren u.a. die Neonazis Marco Langkau, Claudius Fabig, Michael Wittwer und Roman Mironow.

Unter dem Gesichtspunkt, dass auf den Veranstaltungen der „Freigeister“ aggressiv mit Verschwörungsmythen gehetzt wird, ist es kaum verwunderlich, dass ihr Motto des „friedlichen Protests“ nur eine Fassade ist. Mutig waren hingegen Demonstrierende, die sich gegen die Demo auf die Straße legten – als Symbol der Opfer und Vertriebenen des Angriffskrieges von Putin. Diese wurden prompt von den Ordnern rechtswidrig von der Straße gezerrt, ihre Habseligkeiten durch die Gegend geworfen, und zum Schluss wurde eine Demonstrantin sogar gewaltsam an den Rand gedrängt und auf den Boden geschubst; sie musste später im Krankenhaus behandelt werden [2]. Später kooperierte dann noch eine Polizistin mit einem Ordner, um die letzten Menschen auch noch von der Straße zu ziehen.

Was folgte nach Februar 2023: Geringere Mobilisierung – konstantes rechtes Potential

Die Montagsdemos haben seitdem in ihrer Regelmäßigkeit nicht nachgelassen, wenn auch mit deutlich geringeren Teilnehmendenzahlen als noch zu Corona-Zeiten, wo zeitweise über 1.000 den Aufrufen gefolgt sind.  Die Themen haben sich zeitdem gewandelt. Nach dem Auslaufen der Corona-Maßnahmen wurde der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die damit verbundene Inflation zum Hauptthema. Das die „Freigeister“ auch nicht vor geschichtsrevisionistischen und holocaustverharmlosenden Aktionen zurückschrecken zeigte ihr Aufmarsch am Montag den 8. Mai, dem Tag der Erinnerung des Sieges über Nazi-Deutschland. Dort ließen sie es sich nicht nehmen, am Synagogen-Gedenkstein „allen“ Opfern des Holocaust zu gedenken – schloßen also in ihrem Gedenken NS-Täter*innen mit ein und bedienten damit das Narrativ der unschuldigen Deutschen, die von Hitler ins Verderben geführt wurden. Dieser Geschichtsrevisionismus kommt ohne Täter:innen aus und verschleiert die Verantwortung der Deutschen für Krieg und Massenvernichtung.

Um den schwindenden Besucher*innenzahlen entgegen wirken zu können, hatten die „Freigeister“ am 21. Mai wieder zu einer „Großdemonstration“ aufgerufen. Weit mehr als 300 wurden es am Ende dennoch nicht. Im Schnitt sind es meist nur 150-250 Menschen. Mit von der Partie war der Liedermacher Estéban Cortez, der im Windschatten der Montagsdemos groß geworden ist. Zu Gast war auch Hendrik Sodenkamp, Mitherausgeber der während der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen entstandenen, verschwörungsideologischen Zeitung „Demokratischer Widerstand“. Medial begleitet wurde der Aufzug vom österreichischen „alternativen“ Mediensender und Prepper-Shop AUF1,[3] der allein auf Telegram knapp 250.000 Subscriber hat. Die extrem rechte Sender suchte dabei gezielt nach Interview-Partner*innen mit bevorzugtem Weltbild. So etwa einen Teilnehmer des Aufmarsches mit einer Stauffenberg-Flagge (sog. Wirmer-Flagge) – dem Symbol des (letztlich erfolglosen) militärischen Widerstands gegen das NS-Regime. Die Symbolik lässt sich jedoch weniger als antifaschistisch verstehen, sondern deutet eher darauf hin, welcher Mittel sich die „Freigeister bedienen“ wollen, um ihren Protest gegen die Bundesregierung idealerweise zu Ende zu bringen.[4]

[1] Mitschnitt der Demo am 25.2., Teil 1 https://www.youtube.com/watch?v=OIPlqh3lM8A und Teil 2 https://www.youtube.com/watch?v=ieH1SRjWb0U.
[2] https://oderwelle.de/koerperlicher-angriff-durch-teilnehmer-der-sogenannten-friedensdemo-in-frankfurt-oder/
[3] https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2023/04/27/was-hinter-auf1-stefan-magnet-und-der-ausbreitung-des-oesterreichischen-verschwoerungssenders-steckt-desinformation-und-rechte-hetze/
[4] https://t.me/s/FrankfurterFreigeister?before=752

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