Das “Who is Who” der Brandenburger NPD am 1. Mai in Ostbrandenburg auf Wahlkampf-Tour.
Der 1. Mai ist ein wichtigstes Datum für die deutsche Neonazi-Szene. In mehreren deutschen Städten marschierten AnhängerInnen von rechten Parteien und sogenannten „Freien Kräften“ auf, so etwa in Rostock, Plauen und Dortmund. Nahezu 2.000 waren an diesem Tag auf der Straße.[1] Neben den großen Demonstrationen gab es aber in ganz Deutschland auch kleinere Kundgebungen. So auch in Brandenburg, wo der Landesverband der NPD, mit Unterstützung aus Berlin und dem LV der Partei Die Rechte um Klaus Mann, insgesamt drei Kundgebungen durchführte. In Falkensee, Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt wollte die neonazistische Partei darauf hinweisen, dass Deutschland „Nicht das Sozialamt der Welt“ sei, so das Motto der Kundgebung.
Die „Crème de la Crème“ der Brandenburger Rechten
Waren am Morgen in Falkensee gerade einmal 15 Anhänger_innen der NPD erschienen, deren Kundgebung Michel Müller, der Kreisvorsitzende des KV Havel-Nuthe und Mitglied des Landesvorstandes der NPD ist, wegen des lautstarken Protests abbrechen musste, reisten nach Frankfurt (Oder) am Nachmittag etwa 60 Neonazis an. Vor Ort mussten der Landesvorsitzende Klaus Beier, Anmelder der Kundgebung, und sein Vize Ronny Zasowk feststellen, dass durch Gegendemonstrant_innen ihr eigentlich geplanter Kundgebungsort bereits besetzt war. Die Polizei wies ihnen stattdessen ein Stück auf dem Fussgängerweg in der Karl-Marx-Straße zu, wo sie, hinter Bäumen versteckt und vom Protest umringt, kaum wahrnehmbar waren.
Begleitet wurden die beiden NPDler, die für die Kommunalwahlen am 25. Mai sowie die Landtagswahlen im September antreten, von der „Crème de la Crème“ der Brandenburger Neonaziszene: Aus nahezu allen aktiven Ortsverbänden kamen AktivistInnen. Dabei oblag augenscheinlich den Lausitzer_innenn die Organisation. So übernahmen nicht nur Markus Noack und Alexander Bode aus Guben Ordnerfunktionen. Sie fuhren auch den Transporter, der als Lautsprecherwagen diente. Beide sind Neonazis, die durch ihre extreme Gewaltbereitschaft bekannt sind. Alexander Bode hetzte 1999 in Guben einen algerischen Asylbewerber zu Tode [2], Markus Noack war an einem Angriff auf Gegendemonstrant_innen im vergangenen Jahr in Eisenhüttenstadt beteiligt. [3] Begleitet von sehr aggressiv auftretenden Neonazis, wie Benjamin Weise aus Königs Wusterhausen, trafen etwas verspätet auch Aileen und Andreas Rokohl, Maik Schneider, sowie der Spitzenkandidat für die Europawahlen, Udo Voigt, ein. Unter den Anwesenden war auch Christian Schmidt aus Berlin. Als Anti-Antifa-Fotograf seit längerem bekannt, nutzte er auch in Frankfurt seine Kamera, um Neonazi-Gegner_innen zu porträtieren. Robert Gebhardt, Klaus Mann und weitere Kamerad_innen von Die Rechte bzw. KMOB [4] folgten ebenfalls dem Aufruf nach Frankfurt. Dass Die Rechte sich an einer NPD-Kundgebung beteiligte, zeigt, dass die Neonaziszene in Brandenburg zusammenhält, anders als ihre Gesinnungsgenoss_innen in NRW, wo es sogar zu körperlichen Auseinandersetzungen untereinander kommt.[5] Der Großteil der Kundgebungsteilnehmer_innen kam aber aus dem Oderland. Neben altbekannten Gesichtern, wie Frank Odoy und Manuela Kokott (Spreenhagen), Frank Maar (Erkner) und Florian Stein (Schöneiche) waren auch auffallend viele junge Neonazis, vor allem aus dem Umfeld der JN Brandenburg, anwesend. Pierre Dornbrach, Eric Lademann, Marcel Teske und Alexander Kevin Pieper gehörten zu den bekanntesten Gesichtern an diesem Tag.
Wenig Beteiligung von Frankfurter Neonazis
Wie marginalisiert die Frankfurter Neonaziszene zu sein scheint, zeigt ihre Beteiligung an der NPD-Versammlung. Gerade einmal fünf Rechte schafften es zur Kundgebung. 2012, als gleich zweimal Neonazis durch die Stadt marschierten, waren es noch deutlich mehr gewesen. [6][7] Dass diese selbst kaum in organisierten Strukturen integriert sind, zeigt ihre Abwesenheit auf allen sonstigen neonazistischen Auftritten in (Ost-)Brandenburg. Nur bei rechten Ereignissen in der Stadt sind sie anwesend. Lediglich Mario Schreiber beteiligt sich noch gelegentlich an Veranstaltungen außerhalb Frankfurts, wie zuletzt am 16. November 2013 bei einer Kundgebung der Partei Die Rechte in Oderberg. [8] Dennoch waren die Fünf nicht die einzigen Frankfurter Neonazis, die sich an diesem Tag im Umfeld der Kundgebung blicken ließen. Am Rande tauchten vereinzelt Menschen auf, die mit der NPD sympathisierten, aber aufgrund des großen Gegenprotests eingeschüchtert waren. Zu ihnen gehörte auch Robert Krause, in der Vergangenheit zum Umfeld der „Autonomen Nationalisten Oder-Spree“ (ANOS) zu zählen. Er beobachtete das Geschehen aus einigen Metern Entfernung.
Gewaltbereitschaft als Stimmenfänger?
Aufgrund des aktuell drohenden Verbotsverfahrens und den anstehenden Wahlen bemüht sich die NPD auch in Brandenburg um ein bürgerliches Image. Dass sie dieses in keinster Weise erfüllt, zeigte einmal mehr ihr Auftritt in Frankfurt. Dass sie dieses in keinster Weise schafft, zeigte einmal mehr ihr Auftritt in Frankfurt. Kam es anfangs nur zu verbalen Wortgefechten, versuchten nachkommende Neonazis, wie Benjamin Weise und Christian Schmidt, teilweise bewaffnet mit Fahnenstangen auf Neonazi-Gegner_innen loszugehen. Neonazi-Ordner, wie Markus Noack, versuchten nicht einmal, ihre Kamerad_innen zu besänftigen. Beim Abzug der NPD kam es dann zu einem direkten Angriff auf Antifaschist_innen. Ganz vorne mit dabei waren Benjamin Weise und Pierre Dornbrach. Aber besonders Alexander Kevin Pieper stach bei der gewalttätigen Attacke heraus. Bewaffnet mit einer Latte, schlug er mehrmals auf eine Person ein, sodass die Holzleiste zerbrach. Dabei ließ er sich auch nicht von den anwesenden Polizist_innen und zahlreichen Augenzeug_innen stören. Ganz im Gegenteil: So prahlte er beim anschließenden Rückzug noch vor seinen Gesinnungsgenoss_innen mit seiner Tat. Die betroffene Person musste anschließend kurzzeitig im Krankenhaus behandeln lassen.
Das Bild erinnert dabei an einem ganz ähnlichen Vorfall vor ungefähr einem Jahr. Damals war Pieper, bewaffnet mit einer Fahnenstange, ebenfalls auf Gegendemonstrant_innen losgegangen, die einen Kundgebungsort in Eisenhüttenstadt blockierten. Auch damals musste eine Person aufgrund dessen ins Krankenhaus eingeliefert werden. [9]
Nicht ganz unschuldig an dieser Eskalation war auch die Polizei: Obwohl mit genug Kräften vor Ort, versäumte sie es, die offensichtlich aggressiven Neonazis zu ihren Fahrzeugen zu begleiten.
Brown-Town Eisenhüttenstadt
Die dritte Station an diesem Tag war Eisenhüttenstadt. Dort hielt die NPD ihre Kundgebung in unmittelbarer Nähe zur zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge (ZAST) ab. Gleich zu Beginn wurde Alexander Kevin Pieper aufgrund der Attacke in Frankfurt in Gewahrsam genommen. Ihm droht nun ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung. Andere der Angreifer_innen konnte oder wollte die Polizei zu diesem Zeitpunkt nicht ermitteln. Der Auftritt der Neonazis war sodann auch relativ kurz. Nach nicht einmal einer Stunde und zwei Reden von Klaus Beier und Aileen Rokohl beendeten sie die Versammlung. Nicht wenige der Anwohner_innen zeigten ihre Sympathie für das offen rechte Gedankengut. Am Ende konnte die NPD sogar noch Material an Interessierte verteilen.
Gegenprotest war auf den erstenBlick dagegen nicht wahrzunehmen. Die Polizei wies den etwa 120 Gegendemonstrant_innen einen Platz etwa 100m entfernt zu. Ein Durchkommen näher zur NPD-Versammlung war nicht möglich. Für die Neonazis gab es diese Einschränkungen nicht. Ganz im Gegenteil, konnten sie doch direkt zu den Antifaschist_innen laufen, um diesen zu drohen. Auch Danny Zink, Martin Schlechte – beide ehemals ANOS – sowie weitere örtliche Rechte, die sich zuvor an einer nahen Tankstelle versammelten, beobachteten die Gegenkundgebung und versuchten diese abzufotografieren.
Im weiteren Verlauf kam es aber nicht erneut zum einem Angriff wie in Frankfurt (Oder). Die NPD fuhr lieber nach Guben, um dort eine Spontandemonstration durchzuführen, da sie sich in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung durch die Landesregierung und „Kriminellen“ eingeschränkt fühlte.
Kein Ende in Sicht
Für die kommenden Monate kündigte die NPD Brandenburg weitere Kundgebungen an. Einige haben in den vergangenen Tagen bereits in den Landkreisen Oberhavel [10], Oder-Spree und Märkisch-Oderland [11] stattgefunden. Bei allen Auftritten standen ihnen dabei Gegendemonstrant_innen gegenüber, die zumeist mehr Teilnehmer_innen mobilisieren konnten. Das setzt die Partei immer weiter unter Druck. Denn ohne öffentliche Wahrnehmung und der zunehmenden Konkurrenz durch die rechtspopulistische AfD wird sie sicher geglaubte Stimmen für die Wahl verlieren. Ihre Antworten darauf sind vermehrt Drohungen bis hin zu gezielten Angriffen. Denn im Gegensatz zu Demonstrationen sind auf den stationären Versammlungen weit weniger Polizist_innen im Einsatz. Die Gefahr ist hier inzwischen besonders hoch, direkt Opfer von neonazistischer Gewalt zu werden. Trotz stagnierenden Zahlen bleibt die Gewaltbereitschaft weiterhin auf hohem Niveau. [12]
Es ist also auch in Zukunft wichtig, den Blick auf die kleineren Kundgebungen zu lenken.
Quellen
[1] Vgl. http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2014/05/02/1mainazifrei-eine-zusammenfassung_15928.
[2] Vgl. http://www.re-guben.de/.
[3] Vgl. http://inforiot.de/artikel/npd-mitglieder-greifen-gegendemonstranten.
[4] Ehemals Kameradschaft Märkisch-Oder-Barnim, nun Kreisverband Märkisch-Oderland und Barnim von Die Rechte.
[5] Vgl. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/streit-unter-rechtsextremisten-npd-greift-die-rechte-an-a-893861.html.
[6/7] Vgl. https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2012/11/20/das-kleeblatt-ist-verdorrt/ und https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2012/05/10/das-war-wohl-nichts/.
[8] Vgl. https://www.flickr.com/photos/boeseraltermannberlin/10888082883/in/set-72157637730787346 (Bildmitte).
[9] Vgl. http://inforiot.de/artikel/npd-mitglieder-greifen-gegendemonstranten.
[10] Vgl. http://inforiot.de/artikel/npd-tour-floppt-oberhavel.
[11] Vgl. http://inforiot.de/artikel/ob-fuerstenwalde-spree-schoeneiche-oder-strausberg-%E2%80%93-kein-ort-fuer-nazis.
[12] Vgl. http://opferperspektive.de/Home/1189.html.