Rechter Unternehmer erleidet erneut Schiffbruch

Das hatte sich Maik Wilke sicher anders vorgestellt. Noch bevor der von dem extrem rechten Frankfurter Wirt aufgebaute Szenetreffpunkt aus Bekleidungsladen, Kneipe und Bandproberäumen zwischen Linden- und Gubener Straße sein einjähriges Bestehen feiern konnte, stehen Besucher_innen wieder vor verschlossenen Türen. Die durch ihn wiederbelebte Kneipe „Sportlerklause“ ist nach dem Entzug der Gewerbeerlaubnis seit März geschlossen. Das Geschäft „Nordic Company“, spezialisiert auf Textilien der rechten Modemarke „Thor Steinar“, hatte schon Wochen bevor es Ende März auszog kaum geöffnet. Und nun scheiterte auch der Neuanfang des Ladengeschäfts an einer von Frankfurts besten Adressen, dem Bahnhofsplatz. Nach gerade einmal zwei Wochen flatterte dem rechten Unternehmer die Kündigung des Mietvertrages in den Briefkasten. Die Bewohner_innen des hinteren Teils der Gubener Straße dürften wohl aufatmen. Für den nahenden Sommer drohen keine durchwachten Nächte aufgrund ruhestörenden Lärms angetrunkener Gäste der „Sportlerklause“(SK). Das sah in den vergangenen Monaten noch ganz anders aus. Im Dezember 2006 eröffnete in den Räumlichkeiten der jahrelang geschlossenen Bar wieder eine kleine Kneipe. Den alten Namen behielt sie bei. Wirt und Publikum aber wechselten. Laufkundschaft war nicht das Geschäft der Kneipe. Wer in die „SK“ ging wusste genau was er dort wollte: Gleichgesinnte treffen.

Nicht bei allen beliebt: Der „Nordic Company“ am Bahnhofsplatz 3.

Nicht bei allen beliebt: Der „Nordic Company“ am Bahnhofsplatz 3.

Und so kam es durchaus vor, dass zur Begrüßung schon an der Tür der rechte Arm zum Hitlergruß erhoben wurde, wie Anwohner_innen berichteten. Die Gäste waren hauptsächlich unorganisierte Neonazis aus Frankfurt (Oder). Aber auch aus der näheren Umgebung, beispielsweise aus Fürstenwalde/Spree, verbrachten Neonazis ihren Abend an Wochenenden in der „SK“, darunter auch NPDler. Von Anfang an gehörten auch die jungen Hooligans des „FC Vorwärts“ zur Stammkundschaft. Abgesehen von zahlreichen durch Schlägereien bedingten Hausverboten ihrer Protagonisten in anderen Frankfurter
Lokalen, lag es auf der Hand, die „SK“ zur Stammkneipe zu erklären. Eine der zentralen Figuren der Gruppe war offiziell Betreiber der Kneipe. Denn da der öffent-lichkeitsscheue Maik Wilke bei seinen Geschäften, aus welchen Gründen auch immer, versucht im Hintergrund zu bleiben, wurde sein ältester Sohn, der gerade mal 21jährige FCV-Hooligan Martin Wilke am Türschild als Betreiber der „Sportlerklause“ ausgewiesen. Er trat auch gegenüber dem Hausbesitzer, einem Zeuthener Unternehmer, als Mieter der Räumlichkeiten in der Gubener und Lindenstraße auf. Ein ähnliches Vorgehen zeigte sich schon bei früheren Unternehmungen Maik Wilkes wie dem Getränkeladen “Frankfurter Getränke & Partyservice“ in der Sophienstraße. Auch hier fungierte der Sohn als Inhaber.
Mit einem der ihren am Ausschank konnte sich die rechte Kundschaft in der „SK“ unbekümmert zulaufen lassen und gleichzeitig sicher sein, dass das ausgegebene Geld bei Kameraden bleibt. So war die Sportlerklause an Wochenenden des öfteren mit bis zu 40 Personen prall gefüllt. Das Geschäft lief. Unter den Folgen hatten dann die Anwohner_innen der Gubener Straße zu leiden.Besoffen vor die Häuser urinierende und Fußgänger bepöbelnde Jugendliche sowie wiederholte Lärmbelästigungen waren keine Ausnahme und riefen mehrfach die Polizei auf den Plan. Auch die Stadt schaltete sich ein und verhängte ein Bußgeld wegen Ruhestörung gegen den Betreiber. Durch die Gäste der Kneipe verwandelte sich auch das Bild der Gubener Straße.

Einer, der sich zu verbergen versucht: Maik Wilke beim Fenster putzen seines Geschäfts „Nordic Company“ am Bahnhofsplatz 3.

Einer, der sich zu verbergen versucht: Maik Wilke beim Fenster putzen seines Geschäfts „Nordic Company“ am Bahnhofsplatz 3.

An den Laternenmasten klebten jetzt Aufkleber mit dem Konterfei des Hitlerstellvertreters Rudolf Hess oder der Aufschrift „No Go Area“, in den Augen von Neonazis ein Areal, in dem Nichtdeutsche oder Menschen, die nicht in das diskriminierende Weltbild dieser passen, nicht geduldet sind. Zudem wurden unzählige Aufkleber der neonazistischen Anhänger des „FC Vorwärts“ verklebt.Darunter Motive mit der Parole „Scheiss Babelsberg – Wir kriegen euch alle. Action Jugend Frankfurt/Oder“. Allein der Laternenmast vor der Eingangstür der „Sportlerklause“ war mit gut 100 derartigen Stickern beklebt. Zu Ärger mit den Anwohner_innen kam es auch aufgrund des Lärms dort probender Bands. In der ersten Etage des Gebäudes hat Wilke mehrere Räume als Proberäume vermietet. Wer alles Mieter der Räume ist, bleibt untransparent. Bekannt ist aber, dass mindestens eine Rechtsrockband, die Gruppe „Frontstadt“ aus Frankfurt (Oder), dort probte oder noch probt.
Hinter dem Namen stecken der 19jährige Eugen Schulepow und der 20jährige Albert Grzelak, zwei den Justizbehörden wegen Volksverhetzung, Körperverletzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vertraute Personen. Schulepow ist zudem zum harten Kern der FCV-Hooligans zu zählen. Sicher ist auch, dass auch unverfängliche Schülerbands zu den Mietern gehören, die aus Mangel an geeigneten Räumlichkeiten die günstig angebotenen zentrumsnahen Räume nur zu gern nutzen und denen es offenbar gleich ist, wem sie ihr Geld zuschieben. Für Wilke eine willkom-
mene Zusatzeinnahme. Die zunehmenden Beschwerden der Anwohner_innen waren Grund genug für die Märkische Oderzeitung mit einem kritischen Artikel im September 2007 nachzuforschen was in der Gubener Straße vor sich geht. Gegenüber der Presse gab sich Martin Wilke zunächst offen. Bei einem bevorstehenden „Tag der offenen Tür“ könnten alle ihn und die neue Kneipe kennenlernen.

Beim Proben: Eugen Schulepow mit T-Shirt des verurteilten Neonazi-Sängers Michael Regener (Lunikoff ).

Beim Proben: Eugen Schulepow mit T-Shirt des verurteilten Neonazi-Sängers Michael Regener (Lunikoff ).

Dann würden auch die in den Räumlichkeiten des Hauses probenden Bands vorgestellt werden. Wie zu erwarten war handelte es sich bei diesem Manöver nur um eine Verzögerungstaktik. Zu dem versprochenen Fest kam es jedenfalls nie. Bereits kurz nach Eröffnung der „Sportlerklause“ hatte Wilke versucht, die Öffentlichkeit über das Wesen seiner Kneipe zu täuschen. Erfolglos. So versuchte er das neue Lokal über die „Frankfurter Kneipenzeitung“ zu bewerben, indem er die „Sportlerklause“ als die neue Dartkneipe Frankfurts anpries.2 Fragwürdige Rückendeckung verschaffte ihm dazu der Dartverein Fortuna 05, der seit Jahren seinen Sitz in den Räumlichkeiten über der Kneipe hat. Fragwürdig deshalb, da der Verein sonst nicht in Erscheinung tritt und sich in der Klause auch nur eine Standarddartscheibe fand, wie sie in jeder Dorfkneipe hängt. Als Ansprechpartner des Vereins wird im Internet zudem Maik Wilke selbst genannt.3 Dartwettkämpfe in der „Sportlerklause“? Fehlanzeige. Offenbar hatte Wilke nur nach einer Möglichkeit gesucht, seine Kneipe mit positiven Nachrichten in die Presse zu bekommen. Auch beim alljährlichen Hallenfußballturnier der Frankfurter Kneipen am 12.Januar 2008 nahm ein Team der „Sportlerklause“ teil. Um dem Ziel näher zu kommen, sich als eine unter vielen Kneipen zu präsentieren, verzichtete man sogar darauf, Gäste als Anhängerschaft mit in die Halle zu nehmen. Für geschulte Augen wurde dann doch Eindeutiges geboten. Während der Torwart des Teams offensiv die Marke „Thor Steinar“ zur Schau trug, präsentierte Martin Wilke auf dem Feld seine tattoowierten Arme. Auf denen prangt neben den in der rechten Szene für ihren zugeschriebenen Heldenmut verehrten Wikingern auch eine ca. 10x10cm große „Schwarze Sonne“. Dieses Motiv wurde im Nationalsozialismus von der SS geschaffen und galt als Sinnbild
einer nordisch-heidnischen Religion. Beliebt ist die Deutung des Zeichens als zwölfarmiges Hakenkreuz oder als Rad aus zwölf Sig-Runen.Nahezu perfekt wurde die rechte Idylle in der Lindenstraße im Herbst 2007. Nachdem auch Maik Wilke selbst in die direkte Nähe gezogen war, er wohnt derzeit zusammen mit seiner Partnerin in der Lindenstraße 35, eröffnete er am 7.September 2007 in
der ersten Etage der Lindenstraße 41 ein kleines Bekleidungsgeschäft der neu gegründeten Firma „Nordic Company Textilwaren“. Als Inhaberin wurde offiziell eine Beatrice Schmidt angegeben. Das Angebot des Geschäfts bestand nahezu ausschließlich aus Artikeln der rechten Modemarke „Thor Steinar“ (TS).
Diese wird aus dem Umfeld der Neonaziszene produziert und vertrieben, bedient sich völkischer Symbolik mit NS-Bezug und wird hauptsächlich von Neonazis getragen. Das alte Logo der Marke musste geändert werden, da es lange Zeit wegen seiner Ähnlichkeit mit nationalsozialistischer Symbolik strafrechtlich verfolgt wurde. Bisher wird die Marke zum Großteil über die Herstellerfirma direkt vertrieben, die in Deutschland auch einzelne eigene Ladengeschäfte betreibt. Daneben finden sich TS-Artikel sonst nur in einer Vielzahl rechter Versände und Szeneläden. In das Sortiment typischer Bekleidungsläden hat die Marke es dank antifaschistischer Proteste bisher nicht geschafft.

Auf der Ersatzbank: FCV-Hooligan und Neonazi Martin Wilke beim Hallenturnier der Frankfurter Kneipen am 12. Januar 2008.

Auf der Ersatzbank: FCV-Hooligan und Neonazi Martin Wilke beim Hallenturnier der Frankfurter Kneipen am 12. Januar 2008.

Spätestens mit der Eröffnung des „Nordic Company“ konnte auch Maik Wilke keinen Hehl mehr aus seiner Gesinnung machen. Denn wer TS vertreibt weiß genau was er da unter die Leute bringt und kennt auch die Zielgruppe der Marke, Neonazis. Eine ideologische Nähe Wilkes zur rechten Szene wurde schon lange vermutet. Bereits im April 2005 war er mit wüsten Beschimpfungen gegen Flugblätter verteilende Personen aufgefallen. Die hatte er aus seinem damaligen Getränkehandel “Maiks Getränkestube“ in der Sophienstraße als „Schlampe“, „Homo“ und „Scheiß Kommunisten“ beschimpft. Wenig später, im April 2006, tauchte sein Name auch beim Hack des neonazistischen Internethandels „Aufruhr-Versand“ aus dem thüringischen Gera auf, der ihn als mehrfachen Kunden registriert hatte.4 Anfänglich liefen die Geschäfte des TS-Ladens in der Lindenstraße gut, da Frankfurts rechte Jugend den relativ versteckten Laden gezielt aufsuchte. Bald kehrte aber Ernüchterung ein. Das Stammklientel hatte
sich zunächst einmal eingedeckt. Zum regelmäßigen Einkaufen sind die Preise jedoch schlichtweg zu hoch für die im Durchschnitt doch eher jüngere lokale rechte Subkultur. Auf Laufkundschaft konnte das Geschäft mit seiner peripheren Lage am hinteren Ende der Lindenstraße auch nicht hoffen. So blieb die Eingangstür während der Öffnungszeiten immer häufiger verschlossen. Auf einem Zettel in der Tür wurde gebeten, sich bei Interesse in der „Sportlerklause“ zu melden bzw. eine angegebene Handynummer zu wählen. Bei der Suche nach einer besseren Lage für den Laden wurde Wilke dann bei der Deutschen Bahn fündig. Unter der Angabe „Freizeitbekleidung“5 verkaufen zu wollen wurden ihm und der offiziellen Inhaberin des Ladens, Kora Krupke aus Frankfurt (Oder), ein leerstehender Verkaufsraum vermietet. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion zog „Nordic Company“ am Abend des 31. März dann in das Gebäude Bahnhofsplatz 3. Unmittelbar nach dem Einzug informierten wir die Bahn ausführlich über die Hintergründe des Geschäfts und deren Inhaber und forderten eine schnellstmögliche Kündigung der Räumlichkeiten. Auch die Stadt, weitere Initiativen und Einzelpersonen wandten sich an die Deutsche Bahn. Diese handelte konsequent als ihr bewusst wurde, welches Kuckucksei sie sich da ins Nest setzen ließen. Grade mal zwei Wochen nach Eröffnung des „Nordic Company“ wurde bereits die Kündigung des Mietvertrages versendet. Bis Ende Juli wird mit dem Auszug des Geschäfts gerechnet.6
Unterdessen hat sich der Laden an sonnigen Tagen zum Treffpunkt für junge Neonazis aus dem Umfeld der Betreiber entwickelt. Das Motto der Inhaber scheint inzwischen auch „jetzt erst recht“ zu lauten. So haben sie einen weiteren mehrfach vorbestraften rechten Schläger in ihr Geschäft eingebunden und an die Kasse gesetzt. Seit Mitte April verkauft der 20jährige Tommy Keller im „Nordic Company“. Parallel muss er sich zum wiederholten Mal mit seiner Lebensgefährtin und einem Freund wegen gemeinschaftlicher Nötigung, Bedrohung und Körperverletzung vor Gericht verantworten, nachdem sie antifaschistische Jugendliche in einer Frankfurter Straßenbahn angegriffen hatten.7
Es bleibt nun abzuwarten wie Maik Wilke weiter verfahren wird. Es ist allerdings zu erwarten, dass er bereits eifrig auf der Suche nach einer neuen Lokalität ist. Bei dem Namen Wilke sollten also zukünftig bei Vermietern und Gewerbeamt die Alarmglocken schrillen. Er scheint das zu ahnen und hat sich mit einem Internetversand für „Thor Steinar“-Waren jüngst ein weiteres Standbein geschaffen.
Der öffentliche Druck der vergangenen Wochen hat Mut gemacht und gezeigt, dass es in der Stadt möglich ist effektiv gegen Rechts vorzugehen, wenn alle Verantwortlichen an einem Strang ziehen. Diese Initiativkraft sollte auch bei anderen drängenden Themen, wie beispielsweise den neonazistischen Anhängern des FFC Viktoria ausgespielt werden.

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