7. Mai: Zwischen Berlin und Slubice  

Für den 7. Mai mobilisierten polnische Nationalist*innen überregional in die Grenzstadt Słubice, der Nachbarstadt von Frankfurt (Oder). Es sollte der größte islamfeindliche Aufmarsch in Westpolen werden, so die Organisator*innen von „Narodowe Słubice“ („Nationales Slubice“). Mehr als 1.000 RassistInnen aus ganz Polen und Frankfurt (Oder) wurden erwartet. Am Ende kamen nicht einmal 200.[1] Derweil beteiligten sich mindestens 6 Frankfurter Neonazis an einem rassistischen Großaufmarsch am selben Tag in Berlin-Mitte.

Rassistischer Aufmarsch in Slubice ohne Frankfurter Beteiligung

Hauptsächlich Jugendliche und Hooligans, u.a. die antisemitische „Allpolnische Jugend – Lebuser Land“, aber auch extreme Rechte aus den fernen Städten Bydgoszcz und Żary beteiligten sich an dem Aufmarsch, der sich gegen Islamisierung, Angela Merkel, EU und deutsche Hegemonialinteressen richtete. Dass es ihnen aber vor allem um ein völkisches Europa der Vaterländer geht machte Bartosz Janowicz von „Narodowe Słubice“ in einem Interview deutlich: „Wir kämpfen gegen die Islamisierung Europas und wollen, dass sich die Kulturen nicht vermischen. Polen soll polnisch bleiben, die Ukraine ukrainisch, Deutschland deutsch“.[2]
Hinter „Narodowe Słubice“ steckt u.a. Michał Czwerwiński, der als dessen Anführer gilt. Bereits auf der facebook-Seite der Gruppierung hetzte er in Vergangenheit immer wieder gegen Geflüchtete, die angeblich polnische Frauen* vergewaltigen würden und forderte die Schließung der Grenze zu Deutschland. Aus Wrocław war der bekannte polnische Nationalist und Antisemit Piotr Rybak angereist.[3] Im November letzten Jahres verbrannte er während einer Kundgebung des Nationalradikalen Lager (ONR) und der Allpolnischen Jugend in seiner Heimatstadt eine lebensgroße Puppe, die mit Schläfenlocken, schwarzem Hut und Kaftan einen orthodoxen Juden darstellen sollte.[4] Ein weiteres bekanntes Gesicht auf der Demonstration war Sylwester Chruszcz. Von 2004 bis 2009 Europa-Abgeordneter der nationalistischen katholisch-klerikalen »Liga Polnischer Familien« (LPR) und seit 2015 Abgeordnter im Sejm für Kukiz’15. Die nationalistische Partei des bekannten Musikers erzielte bei der letzten Wahl 8,8 % (37 Sitze) der Stimmen und wurde drittstärkste Kraft in Polen.

Am 7. Mai 2016 marschierten etwa 200 polnische NationalistInnen durch Slubice. (Quelle: slubice24.pl)

Am 7. Mai 2016 marschierten etwa 200 polnische NationalistInnen durch Slubice. (Quelle: slubice24.pl)

Auch im Sejm sind extrem rechte Stimmen vertreten: Der Abgeordnete Sylwester Chruszcz der rechten Sammelpartei Kukiz’15 gehörte am 7. Mai 2016 zu den RednerInnen in Slubice. (Quelle: slubice24.pl)

Auch im Sejm sind extrem rechte Stimmen vertreten: Der Abgeordnete Sylwester Chruszcz der rechten Sammelpartei Kukiz’15 gehörte am 7. Mai 2016 zu den RednerInnen in Slubice. (Quelle: slubice24.pl)

Auftakt der Demonstration war auf dem zentralen Plac Bohaterów, dem Heldenplatz. Von dort aus zog die Demonstration durch die Innenstadt bis zum Kreisverkehr an der Brücke zu Frankfurt (Oder), wo in unmittelbarer Nähe in der Fussgänger*innenzone die Abschlusskundgebung statt fand. Der Plac Bohaterów wurde dabei ganz bewusst von den Nationalist*innen gewählt. Erinnert dieser doch an den Widerstand der Pol*innen gegen die NS-Besetzung ihres Landes. Die Organisator*innen der Demonstration wollten sich mit dem Ort der Auftaktkundgebung in der Tradition der polnischen Widerstandsbewegungen im Zweiten Weltkrieg setzen. Ob mit diesem Gedanken auch die 22-jährige Anmelderin Sylwia Janucik spielt, darf bezweifelt werden. Die Frankfurter Polizei nahm sie und einen Bekannten am Vortag kurzzeitig fest. Sie sollen den Hitler-Gruß gezeigt haben.[5] Auch mit ihrem facebook-Profil zeigt sie ihre Sympathie für den deutschen Diktator.[6] Der Aufmarsch am Samstag soll der Beginn einer längeren Mobilisierung sein.
Gegenproteste blieben indes aus. Bereits im Vorfeld hatten die polnischen Nationalist*innen ihren Gegner*innen gedroht. Darunter auch dem Bürgermeister der Stadt Słubice Tomacz Ciszewicz, der gemeinsam mit dem Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) Martin Wilke zu Toleranz und Respekt gegenüber Geflüchteten aufgerufen hatte.[7]

Führer einer extrem rechten Bewegung: Der Antisemit Piotr Rybak auf dem Lautsprecherwagen, u.a. geschmückt mit dem Fantransparent der örtlichen Fussballmannschaft Polonia Slubice am 7. Mai in Slubice. (Quelle: slubice24.pl)

Führer einer extrem rechten Bewegung: Der Antisemit Piotr Rybak auf dem Lautsprecherwagen, u.a. geschmückt mit dem Fantransparent der örtlichen Fussballmannschaft Polonia Slubice am 7. Mai in Slubice. (Quelle: slubice24.pl)

„Narodowe Słubice“ wird auch von den Neonazis der Gruppierung „Frankfurt/Oder wehrt sich“ unterstützt. Diese mobilisierten auf ihrer facebook-Seite zum rassistischen Aufmarsch in der polnischen Nachbarstadt. Bereits am 20. Februar beteiligte sich eine kleine Gruppe von „Narodowe Słubice“ an einem rassistischen Aufmarsch in Frankfurt (Oder). Ein Gegenbesuch am vergangenen Samstag blieb trotz Ankündigung aber aus, was nicht ohne Unmut auf der polnischen Seite blieb. Die Gruppe um Peer Koss beteiligte sich lieber an der „Merkel muss weg“-Demonstration in Berlin.

Schick im Anzug: Kopf der extrem rechten "Narodowe Slubice" Michał Czwerwiński als Redner am 7. Mai in Slubice. (Quelle: slubice24.pl)

Schick im Anzug: Kopf der extrem rechten „Narodowe Slubice“ Michał Czwerwiński als Redner am 7. Mai in Slubice. (Quelle: slubice24.pl)

Demo-Woche für Frankfurter Neonazis

Unter dem Motto „Merkel muss weg“ wollte der „Pro-Deutschland“-Aktivist Enrico Stubbe am 7. Mai 5.000 TeilnehmerInnen gegen Geflüchtete und die Politik der Bundesregierung in Berlin auf die Strasse bringen. Jedoch beteiligten sich mit etwa 1.800 sogar noch weit weniger als bei der erster Demonstration am 12. März.[8] Wie beim letzten Mal versammelte sich eine krude Mischung aus Neonazis, Hooligans, Reichsbürgern, Putin-Fans, Flüchtlings- und Islamfeinden sowie rechtspopulistischen Gruppierungen am Washingtonplatz, dem Auftaktort vor dem Berliner Hauptbahnhof.[9] Zu diesen gehörte auch eine kleine Gruppe Neonazis von der Gruppierung „Frankfurt/Oder wehrt sich“. Durch einschlägige T-Shirts und der schwarzen Fahne mit dem Aufdruck „Frankfurt/O.“ deutlich erkennbar liefen u. a. Peer Koos, Romano Gosda, Dennis Kunert, Dirk Weinert, Justin Kleinert und Norman Joost mit dem Demonstrationszug durch das Regierungsviertel und skandierten eindeutig neonazistische Parolen, wie „Frei, Sozial und National“ und „Hier marschiert der nationale Widerstand“.[10] Peer Koss bedrohte dabei immer wieder Journalist*innen, die den Aufmarsch dokumentierten. Für die Frankfurter Neonazis war es bereits die zweite Demonstrationsbeteiligung innerhalb einer Woche. Dem Aufruf der Partei „III. Weg“ zu einer Demonstration am 1. Mai im sächsischen Plauen folgten mindestens 8 Personen aus dem Umfeld der rassistischen Gruppierung „Frankfurt (Oder) wehrt sich“.[11]

Wer will denn böse gucken? Romano Gosda (links, mit "Kinderschänder"-Pullover) und Justin Dominik Kleinert (mitte, mit Nasenring) laufen am 7. Mai in Berlin neben dem Berliner NPDler Jan Sturm (rechts).

Wer will denn böse gucken? Romano Gosda (links, mit „Kinderschänder“-Pullover) und Justin Dominik Kleinert (mitte, mit Nasenring) laufen am 7. Mai in Berlin neben dem Berliner NPDler Jan Sturm (rechts).

Schönes Wetter auch für Nazis? Peer Koss (mitte, mit "Weiße Macht"-Shirt) am 7. Mai auf der "Merkel muss weg"-Demonstration in Berlin.

Schönes Wetter auch für Nazis? Peer Koss (mitte, mit „Weiße Macht“-Shirt) am 7. Mai auf der „Merkel muss weg“-Demonstration in Berlin.

Quellen:

1 Vgl. MOZ: 200 Flüchtlings-Gegner auf Demonstration in Slubice, http://www.moz.de/nachrichten/brandenburg/artikel-ansicht/dg/0/1/1480355/, eingesehen am 11. Mai 2016.

2 Vgl. rbb aktuell 07.05.2016: Demo gegen Flüchtlinge, https://www.rbb-online.de/brandenburgaktuell/archiv/20160507_1930/demo-gegen-fluechtlinge-slubice.html, Minute 0:38, eingesehen am 11. Mai 2016.

3 Vgl. Gazeta Lubuska: „Stop islamizacji”. W Słubicach protestowali przeciw imigrantom, http://www.gazetalubuska.pl/wiadomosci/slubice/a/stop-islamizacji-w-slubicach-protestowali-przeciw-imigrantom-wideo-zdjecia,9965140/, eingesehen am 11. Mai 2016.

4 Vgl. Jüdische Allgemeine: Der Mob ist los. Vor dem Breslauer Rathaus verbrennen Nationalisten eine »Juden-Puppe« mit EU-Flagge, http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/24006, eingesehen am 11. Mai 2016.

5 Vgl. MOZ: 200 Flüchtlings-Gegner auf Demonstration in Slubice, http://www.moz.de/nachrichten/brandenburg/artikel-ansicht/dg/0/1/1480355/, eingesehen am 11. Mai 2016.

6 Vgl. https://www.facebook.com/adolfinamruczek, eingesehen am 11. Mai 2016.

7 Vgl. Nowak, Peter: „Nationales Slubice“ ohne Resonanz. Enttäuschend verlief für die extreme Rechte in Polen am Samstag ein flüchtlingsfeindlicher Marsch in der Grenzstadt Slubice, http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/nationales-slubice-ohne-resonanz, eingesehen am 11. Mai 2016.

8 Vgl. rbb online: Rechtspopulistische Demo in Berlin fällt größer aus als erwartet, https://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2016/03/rechte-gruppierung-demonstriert-in-berlin-12-maerz.html, eingesehen am 11. Mai 2016.

9 Vgl. Schneider, Theo: Rechte Mischung bei Berliner „Großdemo“, http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/rechte-mischung-bei-berliner-gro-demo, eingesehen am 11. Mai 2016.

10 Vgl. Zeit Online: Rechte Demo erfährt große Gegenwehr, http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-05/demonstration-rechtsextreme-berlin-regierungsviertel-raven-gegen-nazis, eingesehen am 11. Mai 2016.

11 Vgl. https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2016/05/12/1-mai-in-plauen-iii-weg-aufmarsch-mit-beteiligung-frankfurter-beteiligung/

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